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Bei euch ist es immer so unheimlich still von Alena Schröder
Vorgestellt am Bücherherbst 2023 von Prisca Niederer
Alena Schröder ist es gelungen ein Stück Zeitgeschichte interessant niederzuschreiben, zu verpacken in private Schicksale, es lebendig zu gestalten. Erzählt wird auf zwei Ebenen. Beginnend in den 80ern, in der Silvia als Aussteigertochter in einer Berliner WG lebend, eine kleine Tochter zur Welt bringt, während der Vater sich aus der Affäre zieht. Selbst Mutter werdend, steigt die Sehnsucht nach der eigenen Mutter, obwohl die Beziehung seit jeher kühl und distanziert ist. Silvia fährt in die Heimat und begegnet dort nicht der resoluten Ärztin, die ihr bekannt war, sondern einer Frau, die nicht mehr so genau weiss, was ihr Leben noch ausmacht.
Was das einmal war, erfahren wir auf der zweiten Erzählebene. In den 50er Jahren in denen Evelyn einen jungen Arzt heiratet, der vom Krieg gezeichnet, zurück in die Heimat findet. Er setzt sich dafür ein, dass Evelyn auch Medizin studieren kann. Sie geht darin auf, ist fachlich hoch qualifiziert und hat ein Händchen für Erkrankte wie Verwundete. Doch die gesellschaftlichen Konstrukte dieser Zeit nagen an ihr. Sie bleibt die Frau Doktor, weil sie die Frau eines Doktors ist, man verlangt nach einem Mann, einem, der kompetent und nicht fehl am Platz ist, weil die ihr zugeschriebene Rolle eine ganz andere ist - Hausfrau zu sein. Still, artig, brav. darin aufgehend den Mann zu umsorgen. Evelyn wünscht sich ein Kind. Als es dann endlich da ist, versucht sie alle Erwartungen zu erfüllen. Doch es gelingt ihr nicht. Sie kann einen Menschen operieren, ein Leben retten, aber keinen Pudding kochen. Sie fühlt sich eingeengt vom Korsett der Anforderungen, der Erwartungen, den Blicken der Anderen, den Bedürfnissen des Kindes, die sie nicht versteht. Sie versucht eine gute Mutter zu sein, aber sie weiss nicht wie. Es erfüllt sie nicht und von Tag zu Tag wird sie unzufriedener. Silvia hat die Befürchtung es liege an ihr. Sie sei nicht genug gescheit, nicht richtig als Tochter, nicht wertvoll genug.
"Bei euch ist es immer so unheimlich still" ist ein sehr gutes Buch. Eine fesselnd erzählte Geschichte über unausgesprochene Erwartungen, Sehnsüchte und die Neufindung einer Mutter-Tochter-Beziehung.
Durch Zufall habe ich in der Leseprobe am Ende des Buches entdeckt, dass dies der 2. Teil der Borowski-Familienerzählung ist, also der Nachfolger von "Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid". Die Reihenfolge ist dabei sicherlich egal, denn es stehen unterschiedliche Beziehungsebenen in den Romanen im Fokus.